Mein Aussehen stand für mich nie im Vordergrund – Top Magazin Frankfurt, 19.04.2021

Cash.-Interview mit Dagmar Wöhrl, Unternehmerin und Jury-Mitglied bei “Die Höhle der Löwen” (Vox), über ihre Erfahrungen und Strategien bei der Kapitalanlage.Dagmar Wöhrl ist Rechtsanwältin, Politikerin und Unternehmerin, die als Investorin in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ Gründer unterstützt. Durch Ihre Präsenz in den Medien und als ehemalige Miss Germany hat sie Erfahrung mit der Wirkung von Schönheit und Authentizität. Top Magazin hat sie zum Interview getroffen.

Frau Wöhrl, Sie zeichnen gerade wieder neue Folgen der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) auf. Was fasziniert Sie an diesem Format?

Wöhrl: Neben innovativen, spannenden Produkten sind es die dahinterstehenden Gründer. In Deutschland wird das Gründertum immer noch sehr stiefmütterlich behandelt, daher begrüße ich jeden, der den Mut hat, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Für mich persönlich ist es die Möglichkeit, Gründern ein starker Partner zu sein, um gemeinsam mit ihnen ein Unternehmen aufzubauen, das auch noch in vielen Jahren erfolgreich am Markt besteht. Es ist wie der Beginn einer aufregenden Reise.

Was war bisher Ihr erfolgreichster Deal?

Es ist schwer, da nur einen Deal zu nennen. Denn Erfolg lässt sich nicht immer nur von reinen Zahlen ableiten. Nehmen wir zum Beispiel ReMod. Bis heute einer der emotionalsten Pitche überhaupt. Fast jeder Zuschauer kann sich daran erinnern. Umso stolzer bin ich, Teil dieses Unternehmens zu sein, das ein Gerät zur Bewegungshilfe bei halbseitiger Lähmung entwickelt hat. Eine unserer größten Errungenschaften ist hier die medizinische Zulassung. Diese zu bekommen, bedeutet, einen langen Weg zu gehen und viele Vorgaben und Prüfungen zu bestehen. Dass nun die ersten Schlaganfall-Patienten mit unserem Gerät wieder ein bisschen mehr Selbstbestimmung und Lebensqualität erlangen, ist unbezahlbar.

Rein unternehmerisch betrachtet, gehören Waterdrop, HappyPo oder Morotai zu unseren erfolgreichsten Unternehmen. Alle drei Unternehmen konnten sogar im letzten Jahr enorme Zuwächse verzeichnen und dies trotz der derzeitigen schwierigen Situation. Besonders HappyPo wurde während des Lockdowns nahezu überrannt. All unsere Start-ups sind vor allem online stark aufgestellt, sodass sie weniger von Ladenschließungen betroffen waren. Ich bin wahnsinnig stolz auf all meine Gründer.

Was ist für Sie das Wichtigste, was Sie den jungen Unternehmerinnen und Unternehmern mit auf den Weg geben möchten?

Erst einmal bewundere ich jeden Gründer, der sich traut, aus seiner Komfortzone auszubrechen und sich selbstständig zu machen. Unternehmer wird man nicht über Nacht. Es braucht einen langen Atem und auch den festen Glauben an sich selbst und seine Idee oder sein Produkt. Man muss sich bewusst sein, dass zu einem erfolgreichen Unternehmensaufbau auch Rückschläge dazu gehören. Es ist wichtig, aus diesen Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Wir als Familienunternehmen stehen unseren Gründern dafür mit Rat und Tat zur Seite.

Sie sind seit Langem für die CSU politisch engagiert, bis 2017 waren Sie Abgeordnete im Deutschen Bundestag, zuvor ab 2005 vier Jahre lang Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, standen also schon immer in der Öffentlichkeit. Hat die Fernsehpräsenz bei DHDL Ihr Bild in der Öffentlichkeit dennoch verändert?

Ich persönlich empfinde, dass ich kein anderer Mensch geworden bin, seit ich nicht mehr aktiv in der Politik bin. Die Menschen, die mich teilweise seit Jahren begleiten und mich auch als Politikerin kennen, bestätigen das zumindest (lacht). Aber ich kann natürlich nicht beurteilen, wie mich die Menschen im Fernsehen wahrnehmen. Die Reaktionen auf den Social-Media-Plattformen sind aber überwiegend positiv, sodass ich zufrieden mit mir sein kann.

Inwieweit hat sich dadurch Ihr eigenes Leben verändert?

Na ja, als Politikerin war ich es ja gewohnt, dass mich die Menschen aus Bayern und besonders aus meinem Wahlkreis kannten. Seit ich bei „Die Höhle der Löwen“ dabei bin, hat sich mein Bekanntheitsgrad natürlich erweitert. Ich werde öfter angesprochen, vor allem von jüngeren Menschen. Leicht kommt man ins Gespräch und gibt den ein oder anderen Tipp, was bei einer Unternehmensgründung besonders zu beachten ist. Oft werde ich auch um ein gemeinsames Foto gebeten – das war zu Politikzeiten doch eher selten. Eigentlich habe ich mein politisches Mandat niedergelegt, um mich mehr um meine ehrenamtlichen Tätigkeiten zu kümmern. Als dann die Anfrage von Vox kam, hieß es für mich umdisponieren und meine Termine eng planen. Nur so schaffe ich es, auch meine vielen Projekte, vor allem im Ausland, voranzubringen. Noch habe ich zu viel Energie, um mich einfach zur Ruhe zu setzen.

Welches Umfeld ist nach Ihrer Erfahrung weniger authentisch, die Medienwelt oder die Politik?

In beiden Bereichen kann man nur dauerhaft bestehen, wenn man authentisch ist. Beim Fernsehen geben Quoten Aufschluss darüber, wie gut man die Zuschauer unterhalten hat, in der Politik gibt es spätestens nach vier Jahren zur Bundestagswahl die Rückmeldung zur politischen Arbeit. Fakes werden überall schnell durchschaut.

Sie haben als junge Frau mehrfach an Misswahlen teilgenommen und waren Miss Germany. Warum haben Sie sich entschieden, das zu machen?

Als ich 1977 zur Miss Germany gewählt wurde, war das für mich ein großer Erfolg. Neben dem Preisgeld durch die Auszeichnung, womit ich auch einen Teil meines Jura-Studiums finanzieren konnte, habe ich damals mein erstes eigenes Auto gewonnen. Das machte mich unglaublich stolz. Was aber viel wichtiger für mich war, war die Tatsache, dass ich als eher schüchternes Mädchen lernte, über meinen Schatten zu springen und mich zu öffnen. Dies hat mir auch im späteren beruflichen Leben sehr geholfen. Reden vor großem Publikum machte mir zum Beispiel nichts mehr aus. Übrigens habe ich noch heute Kontakte zu ehemaligen Mitstreiterinnen, auch international. Am Ende sind aus Mitstreiterinnen Freundinnen geworden und das ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Wie schwierig war es, in Ihren späteren Berufen als Rechtsanwältin, Unternehmerin und vor allem in der Politik ernst genommen zu werden, wenn die Medien sie damals als „Miss Bundestag“ betitelten?

Sie müssen sehen, wann ich in der Bundespolitik angefangen habe: 1994! Damals war noch eine Zeit, in der es deutlich mehr Männer gab, die schönen Frauen nichts zugetraut haben. Die gibt es natürlich heute auch noch, aber ich glaube besonders in den letzten Jahren haben Frauen mehr Anerkennung und Respekt gewonnen in von Männern dominierten Berufen. Dennoch bin ich überzeugt, dass man mit Leistung immer gewinnen kann und daran habe ich mich in meiner beruflichen Laufbahn orientiert. Mein Aussehen stand für mich nie im Vordergrund meiner Karriere, sonst wäre ich beim Modeln geblieben.

„Ich denke, dass Netzwerken das A und O für eine erfolgreiche Karriere ist. Wir Frauen haben hier eindeutig Nachholbedarf. Es gilt, unsere Stärken zu bündeln, um umso erfolgreicher im Haifischbecken der Gründerszene und Männer-Domänen aufzutreten.“

Wie sind Sie mit solchen Vorurteilen um­gegangen?

Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst gestellt und immer hart gearbeitet. Oftmals mehr als vielleicht hätte sein müssen. Aber ich war schon immer eher eine Perfektionistin. Man entwaffnet Vorurteile am besten, indem man beweist, was man kann. Als ich 1994 in die Bundespolitik einstieg, wurde mir bei der Auswahl meines Wirkungs­bereiches ein typisch weibliches Resort angeboten. Ich sollte als Frau etwas mit Bildung oder Erziehung machen. Und dies, obwohl ich Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei und Unternehmerin war! Es hat mich schon ein wenig Energie gekostet, meinen damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer davon zu überzeugen, dass ich im Bereich Wirtschaft wichtige Erfahrungs­werte in die Arbeit einbringen könnte. Am Ende hat es geklappt und ich war eine der ersten CSU-Frauen, die in den Wirtschaftsausschuss nominiert wurden. Später wurde ich sogar Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Da hat mich keiner mehr als „Miss Bundestag“ wahrgenommen.

Sind Sie in Ihrer Karriere oft über Ihr Aussehen definiert worden?

Mein Aussehen war einmal für meinen Erfolg relevant, nämlich bei der Miss Germany Wahl. Danach fokussierte ich mich auf meine berufliche Karriere und wurde von meinem Umfeld besonders in der Politik aufgrund meiner Argumente, Strategien, Lösungen und meiner Leistung definiert. Ich denke nicht, dass man ein politisches Thema besser oder schlechter diskutieren kann, wenn man ein gewisses Aussehen hat. Hier geht es um den inhaltlichen Mehrwert. Ein Glück, denn sonst hätten wir in der deutschen Politik sicher ein Problem.

Heute stellen sich besonders junge Menschen auf Instagram & Co. besonders positiv dar und versuchen, schöner und makelloser zu wirken, als sie es vielleicht sind. Würden Sie sich heute, unter diesen Voraussetzungen, gerne noch mal einer Schönheits-Konkurrenz stellen?

In einer Welt voller Filter erfreue ich mich an Echtheit. Ich selber würde heute nicht mehr an einem Schönheits-Wettbewerb teilnehmen. Das überlasse ich den jüngeren Damen. Jedoch denke ich, dass Netzwerken das A und O für eine erfolgreiche Karriere ist. Wir Frauen haben hier eindeutig Nachholbedarf. Es gilt, unsere Stärken zu bündeln, um umso erfolgreicher im Haifischbecken der Gründerszene und Männer-Domänen aufzutreten. Hierbei bin ich gerne unterstützend tätig. Sich als junge Frau Hilfe bei erfahrenen Frauen zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein smarter Move, um den eigenen Zielen und Träumen näherzukommen. Meine Erkenntnisse, die auch auf eigenen Fehlern beruhen, gebe ich gerne weiter und hoffe so, eine Unterstützung für junge Frauen zu sein, die diese Hürden noch vor sich haben. Daher bin ich auch in diesem Jahr in der Jury der „Miss Germany“-Wahlen und freue mich auf die Kandidatinnen.

„Was meine Follower auf Instagram zu sehen bekommen, bin zu 100 Prozent ich.“

Sie zeigen sich auf Ihrem Instagram-Account sehr natürlich, etwa beim Toben mit Hunden oder auf Ihren Reisen für Unicef. Ist Ihnen Authentizität heute wichtiger als das gute Aussehen?

Für mich schließt sich beides nicht gegenseitig aus. Mein Aussehen habe ich meinen Eltern zu verdanken und ich bin zufrieden damit. Macht mich mein Aussehen aber weniger authentisch? Das wäre ja nur ein weiteres Vorurteil … Was meine Follower auf Instagram zu sehen bekommen, bin zu 100 Prozent ich – egal ob gestylt für ein Event oder in Jeans und Turnschuhen im Tierheim.

Was würden Sie jungen Leuten raten, die sich in den sozialen Medien mithilfe von Filtern und anderen Hilfsmitteln verändern, um dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen?

Das wahre Leben findet nicht auf Instagram statt. Dessen sollte man sich immer wieder bewusst sein. Ich persönlich finde es schade, dass oft nur ein geschöntes Bild für zahlreiche Likes sorgt und Inhalte dabei unrelevant werden. Ich empfehle jedem, sich auf seine Stärken zu besinnen und darin richtig gut zu werden. Am Ende des Tages müsst ihr euch eurem wahren „Ich“ im Spiegel stellen und zufrieden mit dem sein, was ihr erreicht habt. Schönheit ist dabei das vergänglichste Attribut.

Mein Aussehen stand für mich nie im Vordergrund
Top Magazin
Sabine Börchers
Frankfurt
19.04.2021